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Reden & Ansprachen | 12.11.2018 - 08:39

Waffenstillstand 2018

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Dechant, sehr geehrte Ehrengäste, sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Ich darf Sie heute alle recht herzlich im Namen des Stadtrates von St.Vith zu unserer Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege begrüßen.

Auf den Tag genau heute vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts! Ein Jahrhundert, in dem die damaligen Herrscher ihre Untertanen aus Dummheit, Ignoranz und Größenwahn dazu verführten, in zwei mörderischen Weltkriegen Vieles zu zerstören was ihnen lieb und teuer geworden war.

Am 11. November 1918 wurde das Grauen des Ersten Weltkrieges beendet, schätzungsweise 17 Mio. Menschen waren ihm zum Opfer gefallen. Im Versailler Vertrag wurde eine neue Ordnung für Europa von den Siegern diktiert, für unsere Vorfahren war sie mit einem Staatenwechsel verbunden.

So ging es vielen Menschen in den Grenzgebieten, sie wurden als Beute der Sieger betrachtet und mit den Jahren wuchs bei ihnen die Unzufriedenheit. Demagogen wie Adolf Hitler nutzten die instabile politische Lage und schürten Hass, was letztlich zum Zweiten Weltkrieg führte, der für uns mit der Zerstörung von Sankt Vith endete. 

Vor diesem Hintergrund müssen wir heute unendlich dankbar sein, dass Männer wie der Belgier Paul Henry Spaak, Charles de Gaulle oder Konrad Adenauer Ende der 50er Jahre begannen, die bis dahin herrschende Feindschaft unter den Völkern Europas zu überwinden und in eine sich langsam entwickelnde Freundschaft zu verwandeln.

Doch dieser Friede ist nicht selbstverständlich, er muss immer wieder neu erarbeitet werden. Gerade die aktuelle politische Lage zeigt, wie schnell sich Nationalismus wieder breitmacht. Wieder einmal sind unsere Gesellschaften gespalten, die einen wollen offen und tolerant sein, während andere Angst vor Überfremdung und Migration haben.

Unmut und Verärgerung machen sich breit über die politischen Verantwortungsträger, die im Labyrinth der verschiedenen Interessen keine Lösungen mehr für die drängenden Probleme unserer Zeit finden.

Die Welt gerät aus den Fugen und viele Menschen stellen sich wieder die bange Frage: Wie soll es weitergehen, wie sieht unsere Welt in 20 Jahren aus?

Dabei kommen wir nicht um die Erkenntnis herum, dass wir auf unserem Planeten alle in einem Boot sitzen. Überleben können wir als Menschheit nur, wenn es gelingt die Ressourcen auf der Erde gerechter zu verteilen und sie nicht für sinnlose Kriege verschwenden.

Um das zu erreichen, müssen die Mächtigen begreifen, dass auch sie nur in Frieden überleben können, wenn ihre sogenannten Untertanen in menschenwürdigen Verhältnissen leben können, ja es sich überhaupt für sie lohnt zu leben. Deshalb bleibt ihnen in Zukunft keine andere Wahl, als ihren Reichtum mit den Ärmeren zu teilen.

In einem Zitat schreibt der Dalai-Lama: „Mit unserer eigenen Veränderung fängt alles an, Egoismus bringt uns nicht weiter“

Wenn wir den Satz „Egoismus bringt uns nicht weiter“ ernst nehmen, stellt sich für uns die Frage: Ist unser „immer Mehr wollen“ die Wurzel allen Übels, weil kein Platz mehr bleibt in unseren Herzen für den Blick auf das himmelschreiende Elend vieler Menschen in der Welt?

Sind wir bereit, von unserem Überfluss los zu lassen, um unser Herz frei zu machen für eine Zukunft mit mehr Gerechtigkeit, weniger Gewalt und dauerhaften Frieden? Ja können wir uns eingestehen, dass die vielen kleinen oder großen Dinge, die wir uns leisten, uns am Ende unseres Lebens nicht die tiefe Erfüllung bringen, die wir im Grunde unseres Herzens immer gesucht haben?

Im Gedenken an unsere Vorfahren, die im Krieg Entbehrung, Tod und Zerstörung erleben mussten, legen wir jetzt draußen am Ehrenmahl einen Kranz für die Opfer der beiden Weltkriege nieder. Möge uns ihr Schicksal immer daran erinnern, dass Krieg nie eine Lösung sein kann und wir alle in der Verantwortung stehen, Frieden möglich zu machen!

Möge uns der Blick auf die schwierige Lage vieler Menschen in der Welt dankbar werden lassen für unseren derzeitigen Wohlstand und die Bereitschaft in uns erwecken zu teilen.

Denn “Der Friede ist kein Naturprodukt, er kann nur wachsen aus menschlichem Handeln“, so formulierte es einst Gustav Heinemann, ehemaliger Präsident der Bundesrepublik Deutschland.

Ich darf Sie nun herzlich bitten sich im Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege zu einer Schweigeminute zu erheben.

Christian Krings,
Bürgermeister der Stadtgemeinde Sankt Vith