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Reden & Ansprachen | 23.07.2018 - 11:42

Nationalfeiertag 2018

Sehr geehrte  Ehrengäste, meine  sehr verehrten Damen und Herren,

als Bürgermeister habe ich heute die Ehre Sie alle, auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, hier im Triangel anlässlich des belgischen Nationalfeiertags willkommen zu heißen.
 
Ganz besonders freut mich die Anwesenheit von so vielen Verantwortungsträgern aus unseren Vereinen. Mit ihrer Anwesenheit  geben sie ein starkes Zeichen der Verbundenheit und der Solidarität mit unserem Land Belgien und der Gemeinde St.Vith.

Zunächst gilt mein besonderer Dank Herrn Dechant Claude Theiss und Frau Christine Treichel, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde sowie dem Chor und dem Organisten für den feierlichen Vortrag des Te Deum in unserer Pfarrkirche.
 
Auch in diesem Jahr hat sich das Symphonische Blasorchester der belgischen Eifel, unter der Leitung von Roland Smeets, bereit erklärt unsere Feier mit einem schönen Konzert aufzuwerten. Herzlichen Dank dafür!

Mit unserem Nationalfeiertag feiern wir heute den Geburtstag unseres Landes, den Tag an dem unser erster König, Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha am 21. Juli 1831, den Eid auf die belgische Verfassung ablegte.

In diesen sonnigen Tagen des Jahres 2018, dürfen wir an unserem Nationalfeiertag zunächst mit Dankbarkeit auf unsere derzeitige Situation blicken. Wir leben in einem freien Land, die Mehrheit lebt in relativen Wohlstand und die belgische Fußballnationalmannschaft hat großartig bei der WM in Russland gespielt. Millionen haben mit unserer Mannschaft gefiebert, ihr die Daumen gedrückt und waren zurecht stolz auf dieses belgische Team.
 
Aber wenn wir uns in der Welt und in der Medien Landschaft umschauen, stellen wir fest, wie stark die uns seit Jahrzehnten bekannte liberale Grundordnung unter Druck steht. Strafzölle auf Einfuhren, Fake News, widersprüchliche Aussagen und dreiste Lügen von Staatsführern prägen die Nachrichten. Über Jahrhunderte etablierte Verfahren miteinander zu reden, zu streiten und Kompromisse zu finden werden ersetzt durch unterhaltsame und schockierende Blitzbotschaften, die von einer stumm agierenden Machtpolitik ablenken sollen.
Auch die weniger politisch interessierten Menschen spüren, dass unser Gesellschaftsmodell am Scheideweg steht. Seit 1957, haben wir auch in Belgien, unsere Zukunft immer mehr auf die EU aufgebaut. Aber für die EU läuft die Zeit ab, wenn es ihren Mitgliedstaaten nicht gelingt in entscheidenden Fragen eine glaubwürdige Antwort zu finden.  Ansonsten werden in der globalisierten Welt von heute, Länder wie Belgien, schnell zum Spielball im Machtpoker der großen Player auf dem Kontinent.
 
Auch hat die Idealisierung des Toleranzgedankens in Europa dazu geführt, dass unsere Demokratien kaum noch gegen Intoleranz vorgehen. Die Bevölkerung ärgert sich täglich darüber, dass Menschen die auffällig werden, kaum noch zur Verantwortung gezogen werden können.
 
So nehmen Angst und Wut bei vielen Menschen zu und es ist eine tiefe Vertrauenskrise zwischen der Bevölkerung und ihrer politischen Elite entstanden.
 
Als ich am 21. Juli 1995, damals noch als Erster Schöffe, meine erste Rede zum Nationalfeiertag hielt, habe ich Albert Einstein mit den Worten zitiert „Gott würfelt nicht“. Und dieser Mann, der so weit in die Geheimnisse unseres Universums vordringen konnte, hat damit wohl sagen wollen, dass es keine Zufälle gibt. Mit unserem Denken und Handeln bestimmen wir unsere Zukunft und wir sind Schöpfer unserer Welt.
 
Und wenn wir auf diese vergangenen 23 Jahre zurückblicken, stellen wir einen Wandel in unserer Gesellschaft fest der uns zu denken geben sollte. Vieles ist weggebrochen was früher noch selbstverständlich war. 
 
Die zunehmende Einwanderung von Menschen aus fremden Kulturen hat viele verunsichert, Nachbarschaften werden weniger gepflegt, Dorfkneipen wurden geschlossen. Die Kommunikation, die Diskussion und der Austausch an der Basis finden kaum noch auf dem Kirchplatz oder in der Stammkneipe, sondern bei Facebook und Twitter statt.
 
Meine Damen und Herren, werte Gäste!
 
„Gott würfelt nicht“ Dieses Zitat von Albert Einstein hat immer noch seine Gültigkeit. Es gibt keine Zufälle, wir selber haben unsere Gegenwart gestaltet und wir stehen da, wo wir alle unser Lebensumfeld hingesteuert haben.
 
Damit wir unsere Zukunft in Belgien und Europa positiv gestalten, braucht es vor allem wachsame Bürgerinnen und Bürger, die ihre gewählten Volksvertreter jederzeit daran erinnern, dass Politik kein Selbstzweck ist, sondern ein unerlässlicher Dienst am Mitmenschen.
 
Damit die politischen Verantwortungsträger wieder bei ihrer Bevölkerung die notwendige Akzeptanz finden, müssen sie dem Geld weniger Bedeutung beimessen und ein Gesellschaftsmodell entwickeln in dem alle die Chance haben voranzukommen und ihre Fähigkeiten einzubringen. 
 
Wir selber müssen aber auch bereit sein, unsere Werte und unsere Kultur zu verteidigen und unsere Einstellung zum Staat ändern. Die Frage darf nicht nur lauten: Was kann der Staat für mich tun, sondern auch, was kann ich für mein Land tun.
 
Die anstehenden Kommunalwahlen am 14. Oktober sind deshalb die Chance selber Verantwortung anzustreben, oder in der Wahlkabine Menschen mit der Verantwortung zu beauftragen, die diese Aufgabe mit Engagement angehen wollen.
Wir brauchen Frauen und Männer in der Verantwortung, die bereit sind sich mit Sachverstand und einem gesunden Ehrgeiz für das Allgemeinwohl einzusetzen, ohne ihren eigenen Vorteil zu suchen.
 
Aber verantwortungsbewusste Politiker und Verwaltungen brauchen neben Weitblick und Standfestigkeit auch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger des Staates, um von dieser Kraft getragen zum Wohle der Allgemeinheit arbeiten zu können.
 
Wir brauchen eine neue Kultur im Umgang miteinander. Menschen die in der Öffentlichkeit stehen müssen die Chance haben, sich selbst zu korrigieren, ohne gleich medial abgeschossen zu werden.
 
Das schafft ein Klima, wo die notwendigen Reformen zur Sicherung unserer Zukunft überhaupt möglich sind. Ein neuer politischer Geist, wo Menschen den Mut und die Lust haben Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu treffen!
 
So nutze ich heute an unserem Nationalfeiertag gerne die Gelegenheit allen Menschen zu danken, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen, sei es in sozialen Organisationen, Vereinen, oder in der Politik.
Dieser Einsatz ist notwendig und wertvoll für uns alle und er hilft uns dabei die Herausforderungen der Zukunft in Belgien und in Europa überhaupt erst bestehen können!
 
Wir dürfen heute aber auch dankbar sein in einer Demokratie und in Freiheit leben zu dürfen. Halten wir uns diesen Schatz in Ehren, indem wir bereit sind ihn zu verteidigen, wenn es eines Tages notwendig sein sollte.
 
„Es lebe der König, es lebe Belgien, es lebe die Demokratie!
 
Christian Krings,
Bürgermeister der Stadtgemeinde Sankt Vith